jam"s Gästebuch, trag Dich ein!

Samstag, 12. Mai 2007

Es ginge doch Allen besser...

Die Geschwüre lassen sich von der Cortison-Stosstherapie nicht im geringsten beeinflussen... Sie wachsen fröhlich vor sich hin und fordern täglich mehr und mehr von meiner gesunden Haut ein. Zwischendurch flackert ein Rest meines Kampfgeistes auf, dann überwiegt wieder die Haltung: Was mache ich eigentlich hier? Ginge es nicht Allen besser, wenn es mich gar nicht gäbe? Niemand bräuchte sich mehr Sorgen machen, Rücksicht nehmen, ... es wäre doch eine Erleichterung für Alle, einschliesslich mich.
Ja, ich habe heute wieder mal vermehrt über Suizid nachgedacht, und ich glaube nicht, dass ich dies aus Selbstmitleid tue. Die Situation ist einfach sehr eingefahren, mein Körper scheint auf jegliche Therapien immun zu sein, löst sich täglich mehr und mehr auf, schmerzt wie Hölle und mein Leben ist momentan einfach sehr mühsam und anstrengend. Es ist zu einem "aushalten" geworden, weit entfernt von "annehmen". Das wollte ich eigentlich immer vermeiden... Das zeigt mir wieder, wie unsicher doch Alles in unseren Leben ist. Es sind diese Situationen, die man sich schlicht nicht vorstellen kann... in denen findet man sich plötzlich wieder und erkennt sich selber nicht mehr. Wo ist die Stärke? Der Glaube? Die Sicherheit? Die Überzeugung? Plötzlich Alles weg... Das Leben geht einen Weg mit mir, den ich nicht vorausgesehen habe... ich war so fest überzeugt, dass Alles gut kommt, dass der Crohn Ruhe gibt, dass ich das schaffe, dass ich... hm...
Suizid ist für mich immer behaftet mit Egoismus, Flucht, Davonrennen... war immer überzeugt, dass man seinen Problemen nicht weglaufen kann... auch nicht mit dem Freitod. Ich glaube daran, dass wir Alle hier auf der Erde sind, um gewisse Sachen zu lernen. Ich hab meinen Crohn mit auf den Weg gekriegt, damit ich mein Pensum dazulerne. Die Krankheit schob mich so automatisch in die richtige Richtung... somit hatte sie ihre Berechtigung. Ich habe auch enorm viel gelernt, dank Crohn... ich wäre niemals so weit gekommen, wäre ich gesund. Aber irgendwann muss doch fertig sein?! Ich meine, wie oft habe ich schon gesagt, aus voller Überzeugung: "Danke, lieber Crohn, dass Du mir sovieles im Leben gezeigt hast, was ich ohne Dich nie gelernt hätte. Aber jetzt habe ich genug gelernt und bin bereit, den Weg ohne Dich weiterzugehen. Du hast mich stark gemacht. Hier und Jetzt fängt mein neues Leben an."
Irgendwie war ich immer überzeugt, den Morbus Crohn irgendwann hinter mich zu lassen und doch noch etwas "normales" vom Leben zu haben...
Ja, und genau das fehlt mir momentan, meine Überzeugung, dass Alles gut kommt, meine Hoffnung auf Besserung. Keine Angst, das heisst jetzt nicht, dass ich mich von der nächsten Brücke stürze... auch wenn es momentan wirklich verlockend ist, das gebe ich zu. Mir fehlt der Halt... die Orientierung. Ich fühle mich auch ärztlich nicht wirklich gut begleitet, auch wenn ich der Überzeugung bin, einen guten Arzt an meiner Seite zu haben. Trotzdem fühle ich mich etwas allein gelassen von Allen.
Ich wünsche mir eine gute Betreuung und Begleitung auf medizinischer Basis, ein Zusammenspiel von Ärzten, denen man vertrauen kann, die ehrlich sind, aber auch auf meine Ängste eingehen und mich ernst nehmen. Das wünsche ich mir.
Ich weiss, dass es liebe Leute in meinem Umfeld gibt, die so sehr an mich denken und mich versuchen zu begleiten, dafür bin ich unendlich dankbar, ich weiss, Ihr habt keinen einfachen Job mit mir. Trotzdem seid Ihr da, wenn auch manchmal hilflos, aber das macht nichts, denn ich bin es ja auch. Hauptsache Ihr seid da. Ich danke Euch für Eure Liebe.

Keine Kommentare:

Über mich

Seit 1990 lebe ich mit der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn. Monatelange Aufenthalte in verschiedenen Spitälern im In- und Ausland, viele Operationen, eigentlich jede mit Komplikationen, wurden Teil meines Alltages. 1998 dann die Anlage eines Ileostomas, das mir wenigstens im Darm zu mehr Ruhe verhalf. Januar 2003 die letzte grosse OP, unter anderem Rektumamputation und seither offene Wundhöhle mit allen dazugehörenden Folgen wie Infektionen, Hoffnungen und Schmerzen... Jeden Tag versuche ich aufs Neue mein Leben trotz allen Einschränkungen möglichst normal weiter zu führen. Oft ist es schwierig, alle dem etwas Positives abzugewinnen... aber ich gebe nicht auf, denn wer weiss schon, was das Leben für mich noch Schönes bereit hält?! Das will ich auf keinen Fall verpassen!